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Formulierungen in Testamenten, insbesondere in handschriftlichen Testamenten, beschäftigen die Gerichte häufig. Bei gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit sich die Eheleute durch das Testament binden wollten und ob sich der Überlebende in Bezug auf die Frage, wer nach seinem Tod erben soll,  noch um entscheiden darf.

Das so genannte „Berliner Testament“ nutzen Ehegatten sehr oft für gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen. Mit dem „Berliner Testament“ setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder zu den Schlusserben des Überlebenden ein. Dies entspricht in der Regel dem Wunsch, den überlebenden Ehegatten abzusichern und das beiderseitige Vermögen nach dem Tod des länger Lebenden auf die gemeinsamen Kinder zu übertragen. Probleme entstehen jedoch immer dann, wenn der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Anderen die Schlusserbenfolge ändern möchte.

Grundsatz: Bindung an die Schlusserbeneinsetzung

§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB besagt, dass eine nach Abschluss eines Erbvertrags errichtete letztwillige Verfügung unwirksam ist, wenn sie das Recht des vertragsgemäß Bedachten beeinträchtigt. Diese Vorschrift findet auch auf wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament Anwendung, zumindest immer dann, wenn diese nach dem Tod eines Ehegatten bindend geworden sind.

Wechselbezüglich sind gemäß § 2270 Abs. 1 BGB Verfügungen von Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Ob ein Testament wechselbezüglich ist oder nicht, ist immer anhand des Wortlautes und des Inhalts eines Testaments zu klären. Lässt sich aus dem Inhalt der Urkunde keine klare Regelung dazu entnehmen, muss das gemeinschaftliche Testament ausgelegt werden.

Wenn Ehegatten ein „Berliner Testament“ errichten geht das Gesetz davon aus, dass die gegenseitige Erbeinsetzung mit der Bestimmung der gemeinsamen Kinder als Erben des länger Lebenden wechselbezüglich ist. Wollen die Ehegatten diese Bindung nicht, können und sollten sie die Wechselbezüglichkeit im Testament ausdrücklich ausschließen oder einschränken. Möglich ist dies z.B. durch einen Änderungsvorbehalt für den Überlebenden. Enthält das gemeinsame Testament keine solche Einschränkung, ist der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden an das Testament gebunden.

Bindung des überlebenden lässt keine beeinträchtigende Verfügung zu

Haben die Eheleute ihre gemeinsamen Kinder durch wechselbezügliche Verfügungen zu Schlusserben des Überlebenden eingesetzt, kann der Überlebende nach dem Tod des Erstversterbenden nur dann nochmals abweichend testamentarisch verfügen, wenn dies nicht zur Beeinträchtigung des Schlusserbens führt. Beeinträchtigt wird der eingesetzte Schlusserbe etwa durch seine Enterbung, die Verringerung seiner Erbquote, die Beschwerung mit Vermächtnissen und Auflagen oder die Benennung eines Testamentsvollstreckers.

In der Praxis will der überlebende Ehegatte oft seinen neuen Lebensgefährten oder auch Ehepartner bedenken, etwa durch die Einsetzung als Miterben oder auch durch die vermächtnisweise Zuwendung eines Wohnrechts an einer Immobilie. Oft besteht auch der Wunsch, zu Gunsten einzelner Kinder oder auch zu Gunsten Dritter, wie z.B. Enkelkinder, Vermächtnisse anzuordnen.

Erst am 14.10.2020 musste das Oberlandesgericht in Bamberg einen Fall entscheiden, in dem der Ehemann das gemeinschaftliche Ehegattentestament nach dem Tod seiner Frau änderte. Das Gericht hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die Ehegatten sich in einem 1999 gemeinsam errichteten Testament wechselseitig zu ihren Alleinerben und ihren Sohn zu ihrem Schlusserben nach dem Tod des Letztversterbenden bestimmten. Ergänzend hieß es in dem Testament unter anderen, dass der länger Lebende das Recht hat „das Testament zu annullieren, wenn es „mit dem Sohn zu familiären Zuwiderhandlungen kommen sollte“.

2013 verstarb die Ehefrau. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Erblasser bereits seit 9 Jahren ein außereheliches Verhältnis mit der Schwägerin seiner Ehefrau. Der Sohn wusste von dem Verhältnis und hatte sich mit dem damit verbundenen innerfamiliären Konflikt auf die Seite seiner Mutter gestellt. Nach dem Tod seiner Mutter brach der Kontakt zum Vater ab, wobei dieser zwar die Besuche seines Sohnes anmahnte, ihn jedoch sogleich auch über die beabsichtigte Testamentsänderung informierte.

Nur wenige Monate nach dem Tod seiner Ehefrau testierte der Erblasser tatsächlich neu und setzte seine besagte Freundin neben dem Sohn zur hälftigen Erbin ein. Zur Begründung führte er im Testament an, dass sich seine Freundin um ihn kümmere und täglich besuche, während der Sohn ihn in den zwei Jahren vor der Testamentserrichtung nur insgesamt viermal besucht habe. Dies sei „eine familiäre Zuwiderhandlung im Sinne des gemeinschaftlichen Testaments“, welche ihn zu einer Abänderung berechtige.

Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Freundin die Erteilung eines Erbscheins, welchen sie und den Sohn jeweils zu ein Halb als Erben ausweist. Das Nachlassgericht erteilte den beantragten Erbschein. Der Sohn, welcher entsprechend dem gemeinsamen Testament seiner Eltern einen auf ihn lautenden Alleinerbschein beantragt hatte, legte gegen den Erbschein Beschwerde ein. Seine Beschwerde hatte Erfolg.

Änderungsklausel im Ehegattentestament

Grundsätzlich ist es möglich in einem gemeinschaftlichen Testament für den Überlebenden einen Änderungsvorbehalt aufzunehmen. Durch einen derartigen Vorbehalt kann die Bindungswirkung durchbrochen werden. Im vorbenannten Fall wurde durch die Klausel dem überlebenden Ehegatten ausdrücklich die Möglichkeit einer Neutestierung eröffnet. Das OLG Bamberg legte die Änderungsklausel jedoch dahingehend aus, dass „familiäre Zuwiderhandlungen“ nur vorliegen, wenn wiederholte massive, insbesondere schikanöse Übergriffe sowie vergleichbare erhebliche Verfehlungen durch den Sohn vorliegen. Die bloße Kontakteinschränkung des Sohnes zum Vater genügte dem Gericht nicht. Dies insbesondere mit dem Hintergrund, dass der Vater durch die außereheliche Beziehung mit der Schwägerin der Ehefrau das Verhältnis selbst tiefgreifend gestört hatte. Zudem kann es nicht Wille der Ehegattin gewesen sein, dem Überlebenden durch die Änderungsklausel die Möglichkeit einzuräumen, die neue Lebensgefährtin, welche die Ehe gestört hat, im Testament zu bedenken.

Praxishinweis:

Sollten Ehegatten in ihrem gemeinsamen Testament keine Bindungswirkung für den Tod nach dem Erstversterbenden wünschen, sollten sie explizit einen Änderungsvorbehalt in das Testament aufnehmen. Ob der Änderungsvorbehalt, wie im hiesigen Fall, an eine Voraussetzung gebunden wird, sollte gut überlegt werden.

Sollte das gemeinschaftliche Testament keinen Änderungsvorbehalt enthalten, der Überlebende jedoch neu testieren wollen, sollte er prüfen, ob der als Schlusserbe bedachte einer Änderung zustimmt. Die Zustimmung des Bedachten schließt die Unwirksamkeitsfolge des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB aus.

Zu beachten ist, dass das Gesetz strenge Formvorschriften an die Zustimmung des Bedachten knüpft. Der im „Berliner Testament“ wechselbezüglich bedachte Schlusserbe muss der abweichenden letztwilligen Verfügung des Überlebenden daher durch einen so genannten „Zuwendungsverzichtsvertrag“ zustimmen, wobei diese der notariellen Form bedarf (§ 2352 S. 3, § 2348 BGB).

Der Zuwendungsverzicht muss sich nicht auf die Zuwendung insgesamt beziehen. Der Verzicht kann sich auch auf Beschwerungen des Bedachten etwa durch Vermächtnisse, Auflagen, die Anordnung von Vor- und Nacherbenfolge oder auch die Anordnung eines Testamentsvollstreckers beschränken.

Um sicherzustellen, dass Ihr Testament klar und für alle verständlich formuliert ist und eine Änderungsklausel nicht zu Streit führt, empfiehlt es sich bereits vor oder bei der Errichtung von Ehegattentestamenten Experten-Rat einzuholen. Gern stehen wir Ihnen bei der Errichtung des Testaments mitberatend zur Seite.

Simone Mainda, Rechtsanwältin H&P Dresden