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Am 2. Juli 2023 tritt das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft. Dies ist die deutsche Umsetzung der sog. EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden). 

Ziel des HinSchG:

Schutz von Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden. Das HinSchG verbietet jegliche Repressalien gegenüber hinweisgebenden Personen (sog. Whistleblowern) und verpflichtet Unternehmen, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen einzurichten. 

Betroffene Unternehmen und Zeitpunkt der Umsetzung

Unternehmen mit in der Regel mindestens 250 Beschäftigten müssen die Vorgaben nach dem HinSchG spätestens bis zum 2. Juli 2023 umsetzen.

Bitte beachten: Die Bußgeldvorschrift, wonach ein Bußgeld bis zu 20.000 Euro droht, wenn ein interner Meldekanal nicht eingerichtet oder betrieben wird, tritt erst am 1. Dezember 2023 in Kraft. Solange wird bei der Feststellungfehlender Einrichtung oder fehlendem Betrieb kein Bußgeld verhängt.

Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten haben eine verlängerte Einrichtungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 vor.

Kleine Unternehmen mit in der Regel bis zu 49 Beschäftigten sind von der Pflicht zur Einrichtung eine internen Meldekanals ausgenommen.

Die Schutzvorschriften des HinSchG (insbesondere der Schutz vor Repressalien nach § 36 HinSchG) dürfte aber wohl auch in diesen kleinen Unternehmen gelten, wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer einen Rechtsverstoß beim Beschäftigungsgeber meldet.

Die Pflicht zur Einrichtung eines Meldekanals besteht gem. § 12 Abs. 3 HinSchG unabhängig von der Zahl der Beschäftigten für

  1. Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 Absatz 10 des Wertpapierhandelsgesetzes,
  2. Datenbereitstellungsdienste im Sinne des § 2 Absatz 40 des Wertpapierhandelsgesetzes,
  3. Börsenträger im Sinne des Börsengesetzes,
  4. Institute im Sinne des § 1 Absatz 1b des Kreditwesengesetzes und Institute im Sinne des § 2 Absatz 1 des Wertpapierinstitutsgesetzes,
  5. Gegenparteien im Sinne des Artikels 3 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2015/2365 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 337 vom 23.12.2015, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2021/23 (ABl. L 22 vom 22.1.2021, S. 1) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung,
  6. Kapitalverwaltungsgesellschaften gemäß § 17 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs sowie
  7. Unternehmen gemäß § 1 Absatz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes mit Ausnahme der nach den §§ 61 bis 66a des Versicherungsaufsichtsgesetzes tätigen Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.

Geschützter Personenkreis

Geschützt sind alle natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden (hinweisgebende Personen). In Betracht kommen:: 

  • Beschäftigte, auch bereits ausgeschiedene Beschäftigte, Stellenbewerber, Praktikanten, Leiharbeitnehmer
  • Selbstständige, die Dienstleistungen erbringen, Freiberufler, Auftragnehmer, Unterauf-tragnehmer, Lieferanten und deren Mitarbeiter
  • Anteilseigner und Personen in Leitungsgremien
  • Darüber hinaus werden auch Personen geschützt, die die hinweisgebende Person unterstützen sowie Personen, die zwar nicht selbst die Meldung erstatten, aber Gegenstand der Meldung oder sonst von der Meldung betroffen sind.

Schutzbereich

Nicht jede Meldung einer Verletzung von Rechtsvorschriften ist vom HinSchG umfasst. Der unter § 2 HinSchG geregelte Schutzbereich ist aber sehr weit gefasst. Das Gesetz gilt für Meldungen von Informationen über strafbewehrte oder bußgeldbewehrte Verstöße (bei Schutz von Leib, Leben oder Gesundheit oder dem Schutz von Rechten Beschäftigter), oder sonstige Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder entsprechend der Aufzählung in § 2 HinSchG.

Voraussetzung ist immer, dass sich die Verstöße auf

  • den Beschäftigungsgeber/
  • das Unternehmen oder
  • eine andere Stelle

beziehen müssen, mit dem oder mit der die hinweisgebende Person selbst in beruflichem Kontakt stand oder steht (§ 3 Absatz 3 HinSchG).

Erforderliche Maßnahmen:

Einrichtung einer internen Meldestelle, damit vertrauliche Meldungen abgegeben werden können. Eine interne Meldestelle bezeichnet eine Stelle für interne Meldungen, an welche sich der Hinweisgeber wenden kann. Die Meldestelle muss die Meldung in mündlicher Form oder in Textform ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich sein.

Es besteht die Möglichkeit ein digitales Hinweisgebersystem einzuführen oder von einem Anbieter zu übernehmen. Es muss auf jeden Fall immer die Vertraulichkeit gewahrt sein.

Das Hinweisgeberschutzgesetz sollte nicht als Belastung verstanden werden. Die Vorteile sind nicht zu unterschätzen. Die Einführung des Hinweisgebersystems kann helfen, Schäden im Unternehmen zu vermeiden. Dabei sollte auch der anonymen Meldeplattform die Chance gegeben werden. Nach statistischen Erhebungen von Unternehmen, welche bisher schon ein Meldesystem eingeführt hatten, waren 50 % aller Meldungen anonym eingegangen. Gerade im Zusammenhang mit der ersten Kontaktaufnahme ist die Hemmschwelle doch sehr hoch. Davon waren gerade einmal 5 % missbräuchliche Meldungen.

Unternehmen müssen die interne Meldestelle nicht selbst betreiben, sondern können nach § 14 Absatz 1 HinSchG auch Dritte als interne Meldestellen beauftragen. Die Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen kann somit auf externe Anbieter von Meldeplattformen bzw. auf Ombudspersonen (etwa Rechtsanwälten) ausgelagert werden, sofern diese entsprechende Garantien für die Wahrung der Unabhängigkeit und Vertraulichkeit, des Datenschutzes und der Geheimhaltung bieten.

Auch externe Dienstleister können als interne Meldestellen beauftragt werden (siehe oben unter 1.).

Hinweis:

Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten können Ressourcen teilen und mit anderen Unternehmen eine “gemeinsame Meldestelle” einrichten und betreiben. Die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß abzustellen und, und die Pflicht zur Rückmeldung an die hinweisgebende Person verbleiben aber bei dem einzelnen Unternehmen.

Über Einzelheiten sollten sich die betroffenen Unternehmen rechtzeitig informieren.

Horst Reinemann, Rechtsanwalt H&P Rechtsanwälte