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Ehegatten setzen sich zur Absicherung des Längerlebenden in einem Testament häufig zunächst als Alleinerben, ihre Kinder für den Tod des Längerlebenden als Schlusserben ein. Nach dem Erbfall bemerken die Schlusserben nicht selten, dass der länger lebende Elternteil zu Lebzeiten umfangreiche Schenkungen an Dritte gemacht hat oder dass sich ein Dritter, auf der Grundlage entsprechender Vollmachten, Gelder vom Konto des Verstorbenen überwiesen hat. Regelmäßig stellen sich die Erben die Frage, ob sie diese Schenkungen oder entwendeten Gelder zurückfordern können.

Der Bundesgerichtshof hat über einen derartigen Fall zuletzt mit Beschluss vom 10.03.2001 IV ZR 8/20 – entschieden. Der zu entscheidende Fall war wie folgt gelagert:

Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben und als Schlusserben eine Nichte der der Ehefrau sowie weitere Personen eingesetzt. Nach dem Tod des Erblassers stellte die Nichte fest, dass vom Konto des Verstorbenen mit dem Verwendungszweck „Schenkungen“ im Abstand weniger Monate Beträge von ca. 106.000,00 € sowie 50.000,00 € auf das Konto einer Bekannten des Erblassers überwiesen worden waren. In einer später errichteten notariellen Urkunde erklärte der Erblasser, dass er der Bekannten, die sich regelmäßig um ihn kümmere und zu der er seit Jahrzehnten ein freundschaftliches Verhältnis habe, mehrfach größere Geldbeträge geschenkt hat. Die Bekannte schulde nach seinem Tod weder Auskunft über die Gelder noch die Rückzahlung. Nach dem Tod des Erblassers klagte die Nichte auf Rückzahlung dieser Geldbeträge.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Schlusserben einen Anspruch auf Rückzahlung dieser Gelder haben können und zwar immer dann

  • wenn der Erblasser an die testamentarische Verfügung gebunden ist,
  • der Erblasser die Schenkung ohne ein lebzeitiges Eigeninteresse getätigt hat, wobei ein lebzeitiges Eigeninteresse dann vorliegt, wenn nach dem Urteil eines objektiven Betrachters die Schenkung auch unter Berücksichtigung der testamentarischen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Ein derartiges rechtfertigendes Interesse kommt nach der Rechtsprechung dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und Pflege geht oder wenn er in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gehandelt hat.
  • wenn der Erblasser mit der Änderung die Absicht hegte, den Nachlass zu schmälern und den Schlusserben zu beeinträchtigen.

Der Bundesgerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung zudem darauf hingewiesen, dass das Recht, beeinträchtigende Schenkungen zurückzufordern, nicht in den Nachlass fällt. Eine Klage auf Zahlung an die Erbengemeinschaft ist somit nicht möglich ist. Jedem Miterben steht nur ein persönlich Anspruch in Höhe seiner Erbquote zu.

Tipp:              

Sollten Erben feststellen, dass vom Konto des Erblassers vor Tod hohe Geldbeträge abgingen sollten sie prüfen, ob eine Schenkung vorliegt und ob diese in einer Beeinträchtigungsabsicht oder einem anerkennenswerten lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers erfolgte. Im Falle eines Bestehens einer Miterbengemeinschaft sollten sie zudem immer sorgfältig prüfen, welche Ansprüche jedem einzelnen Miterben persönlich und welche Ansprüche den Miterben gemeinschaftlich zustehen.

Zu beachten ist, dass die Rückforderungsansprüche innerhalb von drei Jahren verjähren. Beginn der Verjährungsfrist ist der Anfall der Erbschaft, d.h. der Todestag, ohne dass es darauf ankommt, ob der Erbe zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Schenkung, von der Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers oder von seiner Berufung zum Erben hatte. Es spielt auch keine Rolle, wie lange die beeinträchtigende Schenkung zurückliegt.

Simone Mainda, Fachanwältin Familienrecht, Rechtsanwältin H&P Dresden