Bei der Einbeziehung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) in einen Versicherungsvertrag sind – wie bei der Einbeziehung von AGB in sonstige Verträge – die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. So muss ausdrücklich auf diese hingewiesen und der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft werden, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Mangelt es an einer solchen ordnungsgemäßen Einbeziehung, stellt sich die Frage, mit welchem Inhalt der Versicherungsvertrag zustande gekommen ist. Dies ist gemäß § 306 Abs. 2 BGB durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln, denn ein gänzliches Weglassen der Bedingungen würde nicht dem Interesse der Vertragsparteien entsprechen. Zudem werden Versicherungsverträge regelmäßig unter Zugrundelegung von AVB geschlossen. In diesen sind üblicherweise auch die Hauptleistungspflichten geregelt, sodass sich ohne AVB nicht einmal bestimmen ließe, was konkret versichert sein soll. Dem Versicherungsnehmer muss folglich bewusst sein, dass irgendwelche AVB gelten müssen.
Das LG Oldenburg geht davon aus, dass es den Interessen beider Parteien entspricht, wenn die AVB zur Vertragsauslegung herangezogen werden, welche in dem entsprechenden Versicherungszweig allgemein üblich sind. Insoweit sind jedenfalls die für den Versicherungszweig herausgegebenen Musterbedingungen als üblich anzusehen. Auch dass diese Musterbedingungen von den Versicherungsverbänden erstellt werden, steht der Annahme der Üblichkeit insoweit nicht entgegen. Vielmehr muss der Versicherungsnehmer gerade damit rechnen, dass derartig ausgestaltete AVB dem Versicherungsvertrag zugrunde liegen.
Bei der Auslegung des Versicherungsvertrages unter Zugrundlegung der üblichen AVB kann zudem nicht nur der Teil, welcher zugunsten des Versicherten ausgestaltet ist, angewendet werden. Vielmehr sind auch etwaige Risikoausschlüsse zu berücksichtigen. Andernfalls wäre der Versicherungsnehmer, welcher von vorherein mit der Geltung derart lautender AVB rechnen musste, übervorteilt. Im Gegensatz zu sonstigen AGB sollen AVB nämlich gerade nicht dispositives Recht zugunsten des Verwenders abändern. Vielmehr ist eine solche Regelung mangels gesetzlicher Vorschriften für beide Vertragsparteien erforderlich.
Eine Ausnahme von der Heranziehung der Musterbedingungen ist lediglich dann zu machen, wenn die Bedingungen des Versicherers in dem speziellen Fall für den Versicherungsnehmer vorteilhafter sind als die ansonsten heranzuziehenden Musterbedingungen, da andernfalls der Versicherer von der Nichteinbeziehung profitieren würde.
Im Ergebnis können daher trotz Nichteinbeziehung der AVB Risikoausschlüsse zulasten des Versicherungsnehmers gelten, sofern sie in dem betreffenden Versicherungszweig üblich sind und die nicht ordnungsgemäß einbezogenen AVB keine für den Versicherungsnehmer günstigeren Bedingungen vorsahen.
Da häufig selbst die wesentlichen Vertragsbestandteile in den AVB geregelt sind, könnte es bereits an einem wirksamen Vertragsschluss fehlen. Allerdings werden Versicherungsverträge regelmäßig unter Zugrundelegung von AVB geschlossen, sodass der Antrag des Versicherungsnehmers als Angebot auf Abschluss eines Versicherungsvertrages zu den allgemein üblichen Bedingungen gedeutet werden kann.
Claudia Eschholz, Wirtschaftsjuristin, LL.B., LL.M., H&P Rechtsanwälte
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