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In den folgenden Zeilen gibt der Autor, der seit 25 Jahren im Bereich des Rechtes der Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU-Versicherungen) tätig ist, seinen persönlichen Eindruck wieder, gestützt auf die umfangreichen Erfahrungen bei der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen BU-Versicherer. Dabei wird die Frage erörtert, wozu der Umstand, dass die psychischen Erkrankungen immer mehr in den Vordergrund rücken, bei der praktischen Durchsetzung derartiger Ansprüche führt.

Festzustellen ist zunächst, dass es in den letzten 20 Jahren eine eindeutige Entwicklung gegeben hat. Während die meisten Antragsteller/innen auf Leistungen aus der privaten BU-Versicherung früher unter Beschwerden im Bereich des Skelett- und Bewegungsapparates, körperlichen Unfallfolgen bzw. sonstige rein körperlichen Beeinträchtigungen litten, sind heute bei mindestens einem Drittel der Fälle psychische Erkrankungen wie Depressionen oder „Burnout“ der Anlass dafür, einen Antrag auf eine monatliche BU-Rente zu stellen. Damit stellen diese Erkrankungen den Hauptgrund für eine Berufsunfähigkeit dar.

Dies dürfte zum einen daran liegen, dass sich die medizinische Forschung und damit auch die Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte weiter entwickelt hat und somit viel häufiger eine psychische Erkrankung als Ursache für auch körperliche Beeinträchtigung diagnostiziert wird. Das Auftreten eines „Schmerzsyndroms“ ist nach heutigen Erkenntnissen häufig die Folge einer psychischen Erkrankung, was früher seltener festgestellt wurde. Zum anderen führen steigender Stress, Leistungs -und Termindruck, geänderte Lebens- und Arbeitsumstände und zuletzt sicher auch die Folgen des Lockdowns während der Corona-Epidemie zu immer häufiger auftretenden Depressionen und anderen psychischen und nervlichen Erkrankungen.

Einige Versicherer neigen dazu, Rentenzahlungen aus der BU-Versicherung bei psychischen Erkrankungen mit dem Argument zurückzuweisen, die psychische Erkrankung sei nicht nachgewiesen und führe ebenfalls nicht dazu, dass die Betroffenen zu mindestens 50 % nicht mehr dazu in der Lage sind, ihren bisherigen Beruf auszuüben. Dazu wird häufig auch auf Gutachten Bezug genommen, die auf Veranlassung der Versicherer eingeholt und von Medizinerinnen und Medizinern erstellt werden, die häufig in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu den Versicherern stehen. Es ist stets Sache der Versicherten, nachzuweisen, dass sie den Bedingungen der BU-Versicherungen entsprechend  tatsächlich nicht mehr in der Lage sind, ihren Beruf, dem sie zuletzt in „gesunden Zeiten“  nachgegangen sind, zu mindestens 50 % weiter auszuüben. Da psychische Erkrankungen häufig schwieriger festzustellen und nachzuweisen sind, viele Hausärztinnen und Hausärzte auch gar nicht dazu in der Lage sind, die Diagnosen zu erstellen und es zweifellos auch Versicherte gibt, die derartige Erkrankungen simulieren, stellt die Nachweispflicht häufig eine große Herausforderung für die Versicherten dar.

Während rein körperlich beeinträchtigte Personen insoweit kein großes Problem haben, kommt allerdings bei den psychisch Erkrankten hinzu, dass gerade die Erkrankung dazu führt, dass sie nicht die Kraft aufbringen können, sich gegen die Ablehnung des Versicherers effektiv zur Wehr zu setzen. Es bedeutet für viele schon eine große Anstrengung, überhaupt Hilfe, insbesondere anwaltliche Hilfe, in Anspruch zu nehmen, und zwar unabhängig davon, ob sie rechtsschutzversichert sind oder nicht. Auch die Anwältin bzw. der Anwalt ist im Hinblick auf eine erfolgreiche Vertretung davon abhängig, dass eine gewisse Zuarbeit von Seiten der Mandanten erfolgt, die für diese allerdings regelmäßig und krankheitsbedingt eine hohe Hürde darstellt. Häufig wird der Antrag auf BU-Leistungen erst gestellt, wenn „nichts mehr geht“, also nicht bei Eintritt der Erkrankung, die viele zunächst noch nicht wahrhaben wollen, sondern erst, wenn der völlige Zusammenbruch erfolgt.

Selbst diejenigen, die anfangs noch die Kraft aufbringen, werden durch die häufig jahrelangen Rechtsstreitigkeiten, während derer sie oft in großer wirtschaftlicher Not sind, zermürbt. Immerhin dienen die privaten BU-Versicherungen gerade dem Zweck, bei gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen, den Wegfall großer Teile des Einkommens zu kompensieren. Insbesondere (aber nicht nur) bei Selbständigen ist die BU-Versicherung die einzig relevante Risikovorsorge für den Wegfall der Arbeitskraft.

Dies wiederum führt dazu, dass es kaum eine Versicherungssparte geben dürfte, in der die Versicherer trotz Vorliegens eines Versicherungsfalles so häufig keine Leistungen erbringen, wie in der BU-Versicherung. Die oft reflexartige Ablehnung einiger Versicherungsgesellschaften bei Anträgen auf eine BU-Rente wegen psychischer Erkrankungen führt bei einer Vielzahl von Antragstellern zur Resignation und Aufgabe der Ansprüche. Daher kann das Modell einer BU-Versicherung durchaus als lohnendes Geschäftsmodell der Versicherungsgesellschaften angesehen werden. Versicherungsprämien werden kassiert, begründete Leistungen aber verweigert.

Lohnt es sich denn überhaupt, gegen die Ablehnung des Versicherers vorzugehen? In aller Regel ja.

Der Autor dieses Beitrages kann aus der Praxis berichten, dass er in all den Jahren keinen einzigen Fall bearbeitet hat, bei dem eine Klage erfolglos geblieben ist, weil die psychische Erkrankung nicht nachgewiesen werden konnte. Obwohl in den meisten Fällen ein vorgerichtliches Gutachten des Versicherers vorlag, welches die BU negierte, habe die vom Gericht beauftragten Sachverständigen, häufig Universitätsprofessoren, die Einschränkung der Fähigkeit, seinem Beruf nachzugehen, bejaht.

Wichtig ist allerdings, dass sich Betroffene anwaltliche Hilfe bei echten Experten, am besten bei Fachanwältinnen und Fachanwälten im Versicherungsrecht einholen. Das Versicherungsrecht gehört nicht zu den Rechtgebieten, die bei der juristischen Ausbildung zu den Staatsexamina gelehrt werden bzw. beherrscht werden müssen. Fachanwältinnen und Fachanwälte wissen, wie man erfolgreiche Klageverfahren führt, zumal es in diesem Bereich viele Fallstricke gibt und davon ausgegangen werden kann, dass die Versicherer ihrerseits nur Experten beauftragen, die wissen, wie man Forderungen abwehren kann.

Betroffene sollten also unbedingt den Mut und die Kraft aufbringen, sich fachanwaltliche Hilfe zu holen. Erfahrene Fachanwältinnen und Fachanwälte wissen, worauf es ankommt, was benötigt wird, wie man Fehler umgeht und wie die Erfolgsaussichten sind. Sie helfen den Betroffenen mit Geduld und Expertise bei dem Zusammentragen der wichtigen Informationen und können einschätzen, wann auch mal eine Vergleichsvereinbarung mit dem Versicherer sinnvoll ist. Die Betroffenen sind nicht alleine gelassen, müssen lediglich eine geringen Impuls geben, und schon kann der Kampf aufgenommen werden. Also, nur Mut!

Christian Wagner, Rechtsanwalt H&P Dresden