Heute berichten wir wieder über einen Regress, den wir für einen großen deutschen Sachversicherer geführt haben.
Am 28.05.2020 kam es in dem bei unserer Mandantin versicherten Gebäude zu einem Wasserschaden. Der Mieter wollte am Abend eine Gießkanne befüllen, um seine Pflanzen zu gießen. Da das Wasser nur schwach aus dem Wasserhahn kam, drehte der Mieter an einem Knauf an einer Wasserleitung unterhalb der Spüle. Hierdurch öffnete er das Eckventil, welches im geöffneten Zustand verblieb. Jedoch kam es nicht gleich zu einem Wasseraustritt. Gegen 18:30 Uhr verließ der Mieter dann die angemieteten Räumlichkeiten.
Kurze Zeit später stellten die Nachbarn einen Wasseraustritt aus den Räumen des Mieters fest. Schadenursächlich war das von dem Mieter geöffnete Eckventil. Es entstand ein erheblicher Gebäudeschaden, den unsere Mandantin als Gebäudeversicherer regulierte. Dadurch sind die Schadenersatzansprüche gegen den verursachenden Mieter gem. § 86 Abs. 1 VVG auf unsere Mandantin übergegangen.
Nachdem der Mieter außergerichtlich eine Übernahme der Regressforderung verweigerte, brachten wir Klage vor dem Landgericht Ulm aus. Das Landgericht Ulm hat mit Urteil vom 29.07.2022, Az. 2 O 646/21 unserer Klage im Wesentlichen stattgegeben.
Voraussetzung für einen Regressanspruch ist jedoch, dass der Mieter den Schaden grob fahrlässig verursacht hat. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Mieter gewöhnlich über die Nebenkosten die Kosten der Gebäudeversicherung anteilig trägt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. bspw. BGH, Urteil vom 08.11.2000, Az. IV ZR 298/99) ist der Gebäudeversicherungsvertrag daher dahin ergänzend auszulegen, dass ihm ein Regressverzicht des Versicherers für die Fälle zu entnehmen ist, in denen der Mieter einen Schaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat.
Hierzu verweisen wir auch auf unseren Blogeintrag vom 06.04.2022: Die Haftung des Mieters für Gebäudeschäden – Ein Überblick
Das Landgericht Ulm bewertete das Verhalten des Mieters als grob fahrlässig. Sein Verhalten stelle einen objektiven Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dar, denn es sei für einen besonnenen Menschen mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten erkennbar, dass ein Wasserschaden drohe, wenn ein Wasserhahn in geöffnetem Zustand verbleibt. Dies gelte auch dann, wenn im Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung kein Wasser aus dem Eckventil austrete, denn es sei auch allgemein bekannt, dass sich der Wasserdruck einer Wasserleitung abhängig von der Nutzung anderer verbundener Wasserleitungen im Gebäude verändere. Das Gericht stellt daher fest, das ein gewissenhaft handelnder Durchschnittsmensch das Schadenpotential eines geöffneten Wasserhahns erkennen würde und diesen zur Vermeidung eines Wasserschadens verschließe.
Im Ergebnis habe der Mieter daher in groben Maße gegen die im Verkehr gebotene Sorgfalt verstoßen, als er die Räumlichkeiten verließ, ohne das Eckventil zu verschließen, denn die Gefahrenlage und das große Schadenpotential habe sich ihm geradezu aufgedrängt.
Das Urteil des Landgerichts Ulm ist rechtskräftig.
Thomas Litzenburger, Rechtsanwalt H&P Rechtsanwälte
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