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Hatten wir uns in unserem letzten arbeitsrechtlichen Blogbeitrag mit der Frage beschäftigt, ob Arbeitnehmer auch während der angeordneten Kurzarbeit Urlaub nehmen können und welche Entgeltfortzahlung sie während dieser Urlaubszeit erhalten müssen, schauen wir uns in diesem Beitrag die Frage an, ob und wenn ja, welchen Einfluss die Einführung von Kurzarbeit auf den Umfang des Urlaubsanspruches als solches hat.

Eine Kürzung des Urlaubsanspruchs während Kurzarbeit ist grundsätzlich möglich!

Im deutschen Arbeitsrecht ist es grundsätzlich anerkannt, dass sich Urlaubsansprüche – sowohl der gesetzliche Mindesturlaub als auch der vertragliche Mehrurlaub – nach der Anzahl der von einem Arbeitnehmer zu leistenden Arbeitstage pro Woche richtet. Dies folgt daraus, dass das Bundesurlaubsgesetz bei der Bemessung des gesetzlichen Mindesturlaubs davon ausgeht, dass dem Arbeitnehmer 24 Werktage Urlaub im Kalenderjahr zustehen, wobei es weiterhin definiert, was als Werktag anzusehen ist, nämlich alle Wochentage, die nicht Sonn- oder Feiertag sind. Mithin ist nach dem gesetzlichen Leitbild auch der Samstag ein regulärer Werktag. Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass ein Arbeitnehmer an 6 Tagen pro Woche arbeitet.

Wenn Arbeitnehmer jedoch nicht an allen Werktagen arbeitet, sondern beispielsweise nur an 5 Tagen pro Woche, so muss der Arbeitnehmer als Sonderregel „Lohn ohne Arbeit“ nur für die Tage einen Tag Urlaub einbringen, an welchen er zur Arbeit verpflichtet wäre. Dies führt im angenommenen Beispiel dazu, dass sich der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch unter Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche auf 20 Arbeitstage reduziert.

Wenn nun infolge von Kurzarbeit die Anzahl der wöchentlich regelmäßig zu erbringenden Arbeitstage reduziert, müsste sich auch der für diese Zeit dem Arbeitnehmer zu stehende Urlaubsanspruch anpassen. Diese Anpassung kann sogar so weit gehen, dass in Zeiten von Kurzarbeit Null gar kein Urlaubsanspruch besteht, sodass letztlich der Urlaubsanspruch entfallen könnte.

Diese Auffassung entspricht nicht nur der herrschenden Meinung im arbeitsrechtlichen Schrifttum, sondern steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. So hat der Europäische Gerichtshof mit Blick auf die europäische Rechtslage bereits entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub während der Kurzarbeit anteilig gekürzt werden kann, ohne dass dies gegen Unionsrecht verstößt (für Kurzarbeit Null zuletzt EuGH, Urt. v. 13. Dezember 2018 – C-385/17; für eine Gewährung pro rata temporis EuGH, Urt. v. 8. November 2012 – C-229/11, C-230/11). Hierfür spreche, dass der Arbeitnehmer, der sich in Kurzarbeit befinde, die nunmehr gewonnene Zeit nutzen könne, um sich – anders als ein erkrankter Arbeitnehmer – auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachzugehen. Der Arbeitnehmer in Kurzarbeit sei letztlich mit vorübergehend teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern gleichzusetzen. Hinsichtlich der Teilzeitbeschäftigten ist anerkannt, dass die Verringerung der Anzahl der Wochenarbeitstage zu einer anteiligen Reduzierung des Urlaubsanspruchs führen kann, wenn dies in dem Änderungsvertrag vereinbart worden ist. Hat der Arbeitnehmer beispielsweise einen Urlaubsanspruch von 20 Tagen in einer Fünf-Tage-Woche, arbeitet er aber nicht an fünf, sondern nur noch an zwei Arbeitstagen, verkürzt sich der Urlaubsanspruch entsprechend auf 8 Arbeitstage (2/5 von 20).

Während der Kurzarbeit sind die gegenseitigen Leistungspflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers für die Zeiten der angeordneten Arbeitszeitverkürzung suspendiert, d. h. der Arbeitnehmer kann ebenso wie bei der Teilzeit über seine Zeit frei verfügen. Es ist folglich sachgerecht, auch hier den Urlaubsanspruch zu kürzen/umzurechnen, wenn sich die Anzahl der Arbeitstage reduziert. Dies sogar so weit, dass Zeiten der Kurzarbeit Null zu einem „Urlaubsanspruch Null“ führen.

Beispiele:

Der Arbeitnehmer hat einen Urlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer Fünf- Tage-Woche. Im Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni wird Kurzarbeit eingeführt, die Arbeitnehmer arbeiten statt regulär an fünf Tagen nur noch an drei Tagen. In dieser Konstellation führt die Einführung der Kurzarbeit und die hiermit verbunden Reduzierung der Wochenarbeitstage für einen Zeitraum vom drei Monaten dazu, dass der Arbeitnehmer insgesamt nur noch einen Urlaubsanspruch von 22 Tagen hat (9 Monate ohne Kurzarbeit: 20 x 9/12 = 15 Tage; 3 Monate Kurzarbeit: 20 x 3/12 x 3/5 = 3 Tage). Der Gesamturlaubsanspruch des Arbeitnehmers beträgt aufgrund der kurzarbeitbedingten anteiligen Kürzung der Arbeitstage auf 18 Tage gekürzt.

Auswirkungen für die Praxis

Je länger die Corona-Pandemie und hiermit einhergehend Phasen der Kurzarbeit andauern, desto stärker wird sich im Zweifelsfall auch die Anzahl der Urlaubstage ermäßigen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs betrifft zwar „nur“ die europäische Rechtslage. Ob das deutsche Recht über den Mindestschutz des europäischen Rechts hinausgeht und insbesondere einen Wegfall des Urlaubsanspruchs bei Reduzierung der Arbeitszeit auf „Null“ zulässt, ist insoweit nicht unumstritten und bedarf letztlich noch der Klärung durch das Bundesarbeitsgericht. Unabhängig hiervon lässt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch nicht entnehmen, ob eine Kürzung des Urlaubsanspruchs bis hin zu einem Urlaubsanspruch Null automatisch eintritt oder ob der Arbeitgeber ähnlich wie bei der Kürzung des Urlaubs in der Elternzeit ausdrücklich gegenüber dem Arbeitnehmer geltend machen muss. Bis die Rechtslage für das deutsche Recht geklärt ist, sind Arbeitgeber aber gut beraten, in entsprechenden Vereinbarungen über die Einführung der Kurzarbeit (d.h. in Betriebsvereinbarungen oder arbeitsvertraglich) vorsorglich ausdrücklich die anteilige Kürzung bzw. den Wegfall von Urlaubsansprüchen für Zeiten der Kurzarbeit zu vereinbaren. Hierbei sollte auch geregelt werden, ob die Kürzung der Urlaubstage nur den gesetzlichen Mindesturlaub oder auch den vertraglichen Mehrurlaub betrifft. Sollte dies vergessen worden sein, sollte der Arbeitgeber zumindest gegenüber dem Arbeitnehmer eine Erklärung abgeben, dass er im Falle von Kurzarbeit „Null“ von seinem Recht Gebrauch macht und den Urlaub für jeden vollen Kalendermonat der Kurzarbeit anteilig um 1/12 des dem Arbeitnehmer zustehenden Jahresurlaubs kürzt.

Horst Reinemann, Rechtsanwalt H&P Dresden