Immer wieder spielt die Verjährung bei der Rechtsberaterhaftung eine Rolle. Hierzu hat sich der BGH am 29.10.2020 geäußert. Dieses Urteil (AZ. IX ZR 10/20) möchte ich an dieser Stelle vorstellen:
Grundlage war ein Verfahren über den Versorgungsausgleich. Die Klägerin wurde 2011 geschieden. Nun sollte der Versorgungsausgleich durchgeführt werden. Das Gericht stellte eine Anfrage beim Land, welches auch Streithelfer der Klägerin ist, über die von der Klägerin erworbenen Anwartschaften in der Elternzeit. Die zu berücksichtigenden Beträge wurden irrtümlich in Euro statt in D-Mark ausgewiesen. Somit war der Ausgleichswert zu Lasten der Klägerin mit Beschluss 2013 übersetzt festgesetzt worden. Der nunmehr beklagte Anwalt hat diesen Fehler nicht festgestellt; der Beschluss wurde rechtskräftig. Der Versorgungsausgleich wurde an Hand dieser (falschen) Auskunft durchgeführt. Das Land stellte, nachdem der Beschluss rechtskräftig geworden war, seinen Fehler fest und versuchte als Streithelfer eine Abänderung zu erreichen, was nicht gelang. Daraufhin machte die beklagte Kanzlei Regressansprüche gegenüber dem Land geltend, was dieses zurückwies. 2013 noch forderte die Klägerin den Beklagten auf, den Fall dem Haftpflichtversicherer zu melden. 2017 verklagte die Klägerin die von ihr beauftragte Kanzlei auf Schadensersatz. Der beklagte Anwalt erhob die Einrede der Verjährung.
Der BGH stellte zunächst fest, dass sich die Verjährung nach den Vorschriften der §§ 194ff BGB richtet. Danach wird die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres in Lauf gesetzt, in dem der Anspruch entstanden war und die Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person der Beklagten als Anspruchsschuldnerin Kenntnis erlangt hatte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB).
Unproblematisch war die Entstehung des Anspruches festzustellen. Dies geschah 2013, als sich die Vermögenslage durch den falschen Beschluss im Versorgungsausgleichsverfahren verschlechtert hat.
Knackpunkt ist die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen. Bei einer Rechtsberaterhaftung sind insoweit Besonderheiten zu beachten. So zeigt der BGH auf:
(a) Allerdings machen es die Besonderheiten der Rechtsberaterhaftung erforderlich, nicht schon dann von einer Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auszugehen, wenn dem Mandanten nur die tatsächlichen Umstände bekannt sind, aus denen der Schadensersatzanspruch gegen den Berater folgt. Hinzukommen muss die Kenntnis von solchen Tatsachen, aus denen sich für den Mandanten – zumal wenn er juristischer Laie ist – ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren (BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 – IX ZR 245/12, BGHZ 200, 172 Rn. 15). Dies findet seinen Grund darin, dass der Mandant in der Regel nicht fachkundig ist, seine rechtlichen Belange dem dazu berufenen Fachmann anvertraut und dessen etwaige Fehlleistungen – eben wegen seiner Rechtsunkenntnis – häufig nicht zu erkennen vermag. Die Fachkunde des Rechtsanwalts und
das Vertrauen seines Auftraggebers begründen typischerweise im Rahmen eines Anwaltsvertrags eine Überlegenheit des Anwalts gegenüber seinem regelmäßig rechtsunkundigen Mandanten (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2014, aaO).
Für ein fehlerhaftes Verhalten des Beraters ist aus der Sicht des Mandanten regelmäßig kein Anhalt im Sinne grob fahrlässiger Unkenntnis gegeben,
wenn der in Betracht kommende Fehler im Rechtsstreit kontrovers beurteilt wird und der Berater gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, ein Fehlverhalten liege nicht vor. Der Mandant darf sich darauf verlassen, dass der von ihm beauftragte Berater die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und der erteilte Rechtsrat zutreffend ist. Dem Mandanten obliegt es nicht, den Anwalt zu überwachen oder dessen Rechtsansichten durch einen weiteren Rechtsberater überprüfen zu lassen. Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel sogar dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht
oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat (BGH, Urteil vom 6. Februar 2014, aaO Rn. 17; vom 25. Oktober 2018 – IX ZR 168/17, WM 2019, 787 Rn. 9).
(b) Anders liegt allerdings der Fall, wenn der Mandant aus den ihm bekannten Umständen selbst den Schluss auf einen gegen den Berater gerichteten Schadensersatzanspruch gezogen hat. Mit dem Schadensersatzverlangen gibt der Mandant zu erkennen, dass er dem Berater nicht mehr (uneingeschränkt) vertraut. Im Blick auf den Beginn der Verjährungsfrist ist der Mandant nun nicht mehr schutzwürdig. Er hat zumindest drei Jahre Zeit, den erkannten Schadensersatzanspruch durchzusetzen oder jedenfalls den Lauf der Verjährungsfrist zu hemmen. Gelingt es dem Rechtsberater, das Vertrauen des Mandanten zurückzugewinnen, führt dies weder zu einer Hemmung noch zu einem Neubeginn der Verjährungsfrist. Allerdings kann die vom Rechtsberater erhobene Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich sein, wenn er seinen Mandanten davon abhält, die Verjährung rechtzeitig zu hemmen. Es gelten die vom Bundesgerichtshof hierzu entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 29. Februar 1996 – IX ZR 180/95, ZIP 1996, 791, 793; Beschluss vom 20. November 2008 – IX ZR 145/06, BeckRS 2008, 26023 Rn. 2; Urteil vom 14. November 2013 – IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 15).
Vorliegend ist der BGH davon ausgegangen, dass die Verjährung am 31.12.2016 endete, da die Klägerin auch die richtigen Schlüsse aus den tatsächlichen Umständen geschlossen hatte, indem sie den Anwalt aufgefordert hat, den Fall seiner Haftpflichtversicherung zu melden.
Insofern kann nur noch der Arglisteinwand (§ 214 Abs. 1 BGB) der Einrede der Verjährung entgegensetzt werden. Hierzu hält der BGH fest:
Es reicht aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv – sei es auch unabsichtlich – bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen (BGH, Urteil vom 14. November 2013, aaO). Ist der Arglisteinwand begründet, macht es der Zweck der bereits eingetretenen Verjährung erforderlich, dass der Gläubiger seinen Anspruch binnen einer nach Treu und Glauben zu bestimmenden Frist gerichtlich geltend macht (BGH, Urteil vom 14. November 2013, aaO Rn. 18 f).
Hierzu gaben die Feststellungen des Berufungsgerichtes in dem Verfahren nichts her.
Im Ergebnis genügt es nicht, dass dem Mandanten die tatsächlichen Umstände bekannt sind. Er muss hieraus auch die richtigen Schlüsse ziehen, nämlich dass der Anwalt einen Fehler gemacht hat. Rät der Anwalt zu einer Fortsetzung des Rechtsstreites, so hat der Rechtsunkundige auch dann keine Kenntnis, wenn sowohl Gegner als auch Gericht hierauf hingewiesen haben. Kenntnis liegt jedoch z.B. dann vor, wenn er den Anwalt auffordert, den Fall seinem Haftpflichtversicherer zu melden.
Anne Pehlke, Rechtsanwältin H&P Rechtsanwälte
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