Gewährt ein testamentarisch gebundener Erblasser zu Lebzeiten seiner Lebenspartnerin für die Zeit nach seinem Tod einen Nießbrauch an seiner Immobilie, damit sie ihn im Alter unterstützt, stellt dies keine die Schlusserben beeinträchtigende Schenkung dar.
Der Erblasser errichtete zu Lebzeiten mit seiner Ehefrau ein Testament, in dem sich die Ehegatten zunächst wechselseitig zu ihren Alleinerben, die Kinder und Stiefkinder nach dem Tod der Letztversterbenden zu ihren Schlusserben bestimmten.
Nach dem Tod der Ehefrau lebt Erblasser in einer neuen, bis zu seinem Tod dauernden Beziehung. In dieser Zeit räumte er seiner neuen Partnerin zunächst ein lebenslanges Mitbenutzungsrecht an der währen der Ehe erworbenen Immobilie und für die Zeit nach seinem Tod, einen umfassenden Nießbrauch an der Immobilie ein. Laut Notarvertrag lebte der Erblasser mit seiner neuen Lebenspartnerin in einer dauerhaften Haus– und Lebensgemeinschaft und verband damit die Erwartung der „gegenseitigen Unterstützung in alten, kranken und gebrechlichen Tagen“.
Nach seinem Tod klagten die im Testament benannten Schlusserben erfolglos auf die Zustimmung zur Löschung des Nießbrauchs. Die Zuwendung des Nießbrauchs erfolgte vom Verstorbenen in einem zu billigenden und gerechtfertigt erscheinenden Eigeninteresse.
Ein gerechtfertigtes Eigeninteresse wird von der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und Pflege geht, anerkannt. Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser eine ihm nahestehende Person durch eine solche Zuwendung in der Erwartung an sich binden möchte, dass er in alten, kranken und gebrechlichen Tagen versorgt wird, was das Fortbestehen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft erfordert. Das sich dieses „Versorgungsversprechen“ auch zu Gunsten der Lebenspartnerin hätte realisieren können, ist dabei unerheblich. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Schlusserben sah das Gericht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.11.2022 – 14 U 274/21) nicht, zumal das Nießbrauchsrecht nur vorübergehend, bis zum Tod der Nutzungsberechtigten besteht, so dass die Immobilie nach dem Tod des Nießbrauchsberechtigten bei den Schlusserben verbleibt.
Der Fall zeigt, dass man auch dann, wenn man durch ein Testament oder Erbvertrag gebunden ist, durchaus Vorsorge für sich und den neuen Lebenspartner treffen kann, auch wenn dadurch die Rechte der Schluss- oder Vertragserben belastet oder vorübergehend eingeschränkt werden. Dies gilt insbesondere, wenn durch den neuen Lebenspartner Pflege- und Versorgungsleistungen erbracht werden, die dem Eigeninteresse, d. h. der Absicherung von Pflege- und Versorgungsleistungen im Alter dienen. Wichtig ist, das Eigeninteresse bei der Bestellung des Rechts offen zu kommunizieren. Holen Sie sich dazu bei uns Rat.
Simone Mainda, Rechtsanwältin H&P Rechtsanwälte
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