Die Besichtigung sogenannter „Lost Places“ erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Oftmals werden beim Besuch der alten Gebäude auch Videos gedreht und Fotos gemacht, um das Erlebnis mit einer breiteren Masse zu teilen. Dieses Hobby ist neben den gesundheitlichen Gefahren jedoch auch aus rechtlicher Sicht nicht ganz ungefährlich.
Im Jahr 2021 hatte das Amtsgericht München über die urheberrechtliche Schutzfähigkeit einer alten Burg sowie dessen Bezeichnung als „Lost Place“ zu entscheiden.
Klägerin war eine US-amerikanische Gesellschaft, welche Eigentümerin einer alten Burg in Thüringen war. Der Beklagte betrieb eine Internetseite, auf welcher er unter der Rubrik „Lost Places“ diverse Fotografien der streitgegenständlichen Burg veröffentlichte. Hiergegen setzte sich die Klägerin zur Wehr und behauptete, die Burg sei urheberrechtlich geschützt. Daher sei der Beklagte verpflichtet gewesen, aufgrund des rechtswidrigen Eindringens in die Liegenschaft und der ungenehmigten Fotografien, Schadensersatz wegen der Verletzung des „ausländischen Copyrights“ zu zahlen. Zudem habe der Beklagte durch die illegale Verbreitung, den Import ins Ausland sowie wegen Verletzung moralischer Rechte weitergehenden Schadensersatz zu zahlen.
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München wurde aufgrund des sogenannten „fliegenden Gerichtsstands“ nach § 32 ZPO angenommen. In Fällen, bei denen es um Ansprüche aus Internetauftritten geht, ist nach diesem Grundsatz jedes Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Internetauftritt abrufbar ist. Die Abrufbarkeit der Internetseite des Beklagten war bundesweit und somit auch in München gegeben.
Etwas anderes hatte sich auch nicht aus § 104a UrhG ergeben. In § 104a Abs. 1 S. 1 UrhG heißt es:
„Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.“
Das Amtsgericht München hat eine lediglich private Nutzung der Bilder nicht angenommen, sondern war vielmehr der Ansicht, dass der Beklagte seine Bilder im Rahmen seiner Webseite und darüber hinaus vermarktet hätte. Daher ging das Amtsgericht München von einer gewerblichen Tätigkeit des Beklagten aus, sodass die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bejaht wurde.
Da die Klägerin ihren Sitz in den USA hatte, stellte sich weiterhin die Frage nach dem anwendbaren Recht. Die Klägerin war der Ansicht, dass US-amerikanisches Recht anwendbar sei. Das Amtsgericht München hat dies richtigerweise verneint. Es entspricht in solch gelagerten Fällen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass sich die urheberrechtliche Beurteilung ausschließlich nach dem Recht des Schutzlandes richtet. Da sich die streitgegenständliche Burg in Deutschland befand, war somit ausschließlich das deutsche Urheberrecht anzuwenden.
Es stellte sich nun entscheidend die Frage nach dem urheberrechtlichen Schutz. Das Amtsgericht lehnte einen urheberrechtlichen Schutz der Klägerin ab. Urheberrechtlich geschützt sind gemäß § 2 Abs. 1 UrhG grundsätzlich Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Hierunter fallen laut BGH auch Werke der Baukunst, sofern das Gebäude hinreichend originell, individuell und innovativ ist. Man spricht insoweit auch von einer persönlich geistigen Schöpfung. Diese Voraussetzungen dürften bei der Burg wohl vorliegen, sodass diese grundsätzlich urheberrechtlich geschützt ist.
Der urheberrechtliche Schutz steht nach § 11 S. 1 UrhG dem Urheber von Werken zu. Urheber können nach deutschem Urheberrecht wiederum nur natürliche Personen sein. Auch ein Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG steht damit einhergehend nur natürlichen Personen zu. Zudem wurde auch nicht dargelegt, dass die Klägerin die Burg errichtet hatte, was angesichts des Wiederaufbaus im Jahr 1375 wohl auch fernliegen dürfte.
Ferner lehnte das Gericht auch einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen der Bezeichnung der Burg als „Lost Place“ ab. Insbesondere wurde ein Anspruch auf Geldentschädigung nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgrund der angeblichen Verletzung moralischer Rechte abgelehnt. Auch dieser Anspruch könne nur natürlichen Personen zustehen. Hinzu kommt, dass eine schwere Beeinträchtigung vorliegen müsse, welche nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden könne. Eine solche wurde verneint, da die Burg einen äußerst schlechten baulichen Zustand aufweise und daher mit der Bezeichnung als „Lost Place“ von einer wahren Tatsachenbehauptung ausgegangen wurde.
Im Ergebnis hatte die Klage schließlich keinen Erfolg.
Werden Bilder oder Videos trotz Widerspruchs des Eigentümers, Besitzers oder Urhebers eines solchen Bauwerkes widerrechtlich genutzt, so kann ein Verstoß gegen das Urheberrecht begründet sein. Mögliche Folgen sind Abmahnungen und strafbewehrte Unterlassungserklärungen. Bei kommerzieller Nutzung ist darüber hinaus auch ein Schadensersatzanspruch denkbar.
Auch im Hinblick auf strafrechtliche Folgen ist das unbefugte Betreten von „Lost Places“ nicht völlig problemlos. In dem Betreten eines abgezäunten Geländes oder Gebäudes dürfte regelmäßig ein Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB liegen.
Somit ist das zunehmend beliebte Hobby der Erkundung von „Lost Places“ aus rechtlicher Sicht nicht ganz ungefährlich und kann im schlimmsten Fall sogar mit einer Haftstrafe enden.
Marvin Hoppmann, Rechtsanwalt H&P Rechtsanwälte
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