Heute soll es um das Quotenvorrecht bei Gerichtskostenerstattungen gehen. Hierzu hat der BGH am 10.06.2021 zum Az. IX ZR 76/20 einen lange währenden Streit zu Gunsten der Rechtsschutzversicherer beendet.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin – ein Rechtsschutzversicherer – hat ein Verfahren der bei ihr Versicherten gegen eine Bank finanziert. Deckungsschutz wurde erst ab der 1. Instanz gewährt. Schlussendlich wurde ein Vergleich geschlossen, wonach die Kosten gegeneinander aufgehoben worden sind. Das Gericht überwies daher unverbrauchte Gerichtskosten in Höhe von 2.772,00 EUR. Die beauftragte Kanzlei informierte den Rechtsschutzversicherer über diese Erstattung. Die Kanzlei überwies jedoch nur einen Teilbetrag. Die Klägerin bat daher um Auszahlung der einbehaltenen Gerichtskosten.
Der BGH entschied wie folgt:
Die Versicherten haben einen Anspruch auf Auskehr der unverbrauchten Gerichtskosten nach §§ 675 Abs. 1, 667 BGB, welcher gemäß § 86 VVG und § 17 Abs. 8 ARB auf die Klägerin übergegangen ist.
Im Rahmen des § 86 VVG hat das Gericht vor allem zu der Problematik Stellung bezogen, ob ein Schaden ersetzt wurde. Der BGH geht hierbei systematisch vor und legt dar, dass die Hauptleistungspflicht der Rechtschutzversicherung die Kostenbefreiung darstellt. Der Versicherte hat auf Grund des Versicherungsvertrages einen Anspruch auf Befreiung der durch die Wahrnehmung rechtlicher Interessen entstehenden Kosten. Die Kosten der Rechtsverfolgung stellen demnach den Schaden dar. Insoweit muss der Versicherte von seiner Verbindlichkeit frei werden. Dieser Anspruch ist fällig, alsbald der Versicherte in Anspruch genommen wird. Entschließt sich also der Versicherte dazu gerichtlich vorzugehen, handelt es sich bei den nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG fällig werdenden Gerichtsgebühren um einen Schaden. An Hand der Bedingungen der Rechtschutzversicherung steht fest, dass der Rechtsschutzversicherer die vollen Gebühren zu übernehmen hat, unabhängig von einer späteren Ermäßigung. Es liegt also bereits durch diese Belastung mit drei Gerichtskosten ein Schaden vor, obwohl die endgültigen Kosten der Rechtsverfolgung noch nicht feststehen.
Problematisiert hat der BGH auch, ob der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten einen Ersatzanspruch i.S.d. § 86 Abs. 1 VVG darstellt. Da § 86 VVG jeden Anspruch erfasst, der auf Ausgleich der die Leistung des Versicherers auslösenden Vermögenseinbuße durch Wiederherstellung des vor dem Schadensereignis bestehenden Zustands gerichtet ist, ist dies zu bejahen. Sofern sich nach Abschluss des Rechtsstreits also herausstellt, dass die tatsächlich entstandenen Gerichtskosten geringer sind als die angeforderten Vorschüsse, handelt es sich bei dem Rückforderungsanspruch um einen Ersatzanspruch im Sinne des § 86 Abs. 1 VVG.
Indem die Gerichtskasse sodann zwei Gerichtskosten auf Grund des Vergleichsschlusses erstattete, begründet dies einen Auszahlungsanspruch des Versicherten nach §§ 675 Abs. 1, 667 BGB. Hierbei wies der BGH auch darauf hin, dass es für den Herausgabeanspruch nach § 667 BGB unerheblich ist, ob der Versicherte materiell-rechtlich Inhaber dieses Anspruches ist oder ob dieser bereits auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen ist. Denn für den Anspruch nach § 667 BGB allein entscheidend ist, ob die Auszahlung der Gerichtskasse eine Leistung an den Versicherten darstellt. Insoweit verhält sich das Gerichtskostengesetz nicht dazu, an wen unverbrauchte Vorschüsse zu erstatten sind. Die Zahlung erfolgt grds. an denjenigen, dessen Kostenschuld erloschen ist. Kostenschuldner waren die Versicherten, denn diese schulden als Kläger die Gerichtskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG. Bei einer Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten ist nach § 29 Abs. 4 KostVfG eine Rückzahlung an diesen anzuordnen. Bei der Zahlung an die Kanzlei handelt es sich also rechtlich gesehen um eine Leistung an dessen Mandanten.
Doch wenn der Anspruch nach § 86 VVG auf den Versicherer übergeht, muss dann nicht auch das Quotenvorrecht nach § 86 Abs. 1 Satz 2 VVG beachtet werden?
Dazu zeigt das Gericht auf, wozu das Quotenvorrecht dient: Es dient dazu, dass der Versicherte seinen Schaden vollständig ersetzt erhält. Hierbei ist nicht der gesamte Schaden zu berücksichtigen, sondern nur der Schaden, gegen den sich der Versicherte versichert hat. Dazu im Gegensatz stehen jedoch Überzahlungen, d.h. solche Zahlungen, bei denen sich hinterher herausstellt, dass diese zu hoch waren, da die endgültige Schadenshöhe noch nicht feststand. Welche Gerichtskosten anfallen, steht erst am Ende des Prozesses endgültig fest. Soweit sich ein Anspruch auf Rückzahlung gegen die Gerichtskasse ergibt, erleidet der Versicherungsnehmer letztlich keine Vermögenseinbuße. Vielmehr verringert sich sein Schaden. Im Ergebnis ist damit das Quotenvorrecht nicht einschlägig, da die Gerichtskostenerstattung keine Zahlung auf einen Schaden darstellt, den der Versicherte erlitten hat. Denn – wie sich nachträglich herausgestellt hat – ist er nicht verpflichtet diese Gerichtskosten zu tragen.
Anne Pehlke, Rechtsanwältin H&P Rechtsanwälte
Neueste Kommentare