Von im Treppenhaus abgestellten Schuhen über das Grillen auf dem Balkon bis hin zum berühmten Streit am Zaun – wenn Menschen in einem Haus miteinander leben, kommt es regelmäßig zu Meinungsverschiedenheiten. Die Konflikte mit den Nachbarn, Vermietern oder Eigentümern resultieren häufig aus der Nichtbeachtung von Mittags– und Nachtruhe, Lärm durch spielende Kinder oder Haustiere, Verstöße gegen die Hausordnung. Verschiedene Interessen und Sichtweisen prallen aufeinander, die Verständigung misslingt. Meist geht es bei den Streitigkeiten um das eigene Zuhause, dem persönlichen Rückzugsort. Die Konflikte werden daher schnell emotional, zermürbend und seelisch belastend. Nicht selten haben Nachbarschaftsstreitigkeiten eine Vorgeschichte. Ein Vorfall bringt dann sprichwörtlich das Fass zum überlaufen. Es kommt zu Beleidigungen, Drohungen oder gar tätlichen Auseinandersetzungen. Jeder sieht sich als Opfer. Landen diese Streitigkeiten beim Anwalt oder beim Gericht kostet dies Zeit und Nerven, vor allem auch Geld. Dies wiederum verschärft die Situation. Eine Alternative zu den Gerichtsverfahren ist die Nachbarschaftsmediation.
Die Mediation ist ein Verfahren zur Konfliktlösung, bei dem der Mediator die Rolle eines neutralen Vermittlers übernimmt. Bei einer Mediation setzen sich die streitenden Parteien zusammen und suchen, angeleitet durch den Mediator, selbst nach Lösungen des Problems. Der Mediator moderiert das Gespräch, achtet auf das Einhalten der im Vorfeld vereinbarten Regeln und lenkt den Fokus der Streitenden weg von den wechselseitigen Anschuldigungen. Er fokussiert den Blick auf die Zukunft. Dabei steht nicht das Gesetz, sondern die Beziehung zwischen den Nachbarn im Vordergrund.
Beispiel: Grillparty auf dem Balkon
In einem Mehrfamilienhaus mit einer gestandenen Mieterstruktur zieht ein neuer Mieter ein. Das sich die Mieter nicht persönlich bei den Nachbarn vorstellen, was diese erwartet hätten, erweckt bereits Misstrauen. Ihren Einzug und andere Höhepunkte feiern die neuen Mieter im Rahmen von Grillpartys auf dem Balkon. Dies stört die Nachbarn, sie drohen mit der Polizei. Die Feiernden kontern, die Mitbewohner sollen die Fenster schließen, wenn sie das Grillen stört.
In der Mediation legen die Beteiligten ihrer Standpunkte dar. Dabei war die Atmosphäre zunächst sehr emotional. Es wurde jedoch herausgearbeitet, dass sich die Nachbarn nicht an den Geräuschen der Grillparty stören, sondern vor allem an der mangelnden Rücksichtnahme auf die Nachbarn. Die Nachbarn legten dar, dass sie während der Grillabende die Wäsche vom Balkon nehmen und die Fenster schließen müssen, damit nicht alles nach Rauch riecht. Der neue Mieter merkte, dass die anderen nicht aus reiner Boshaftigkeit meckern, sondern von ihm erwarten, dass er vor einem anstehenden Grillfest die Nachbarn informiert.
Beispiel: Lärmende und spielende Kinder
In einem Mehrfamilienhaus hatte ein Rentnerehepaar Ärger mit den Obermietern. Die Obermieter, eine Familie mit drei Kindern, waren auf Grund coronabedingter Schließung von Kindergarten und Schule unter der Woche ganztägig zu Hause. Die Kinder rannten durch die Wohnung, spielten in der Wohnung Ball und tobten sich aus. Die Geräuschkulisse und der Schall waren in der darunterliegenden Wohnung deutlich zu hören. Die Situation wurde durch das Rentnerehepaar, welche mit dem Besenstil an die Decke stießen um auf die Geräuschkulisse aufmerksam zu machen, noch verschärft.
In der Mediation legten beide Mieter Ihre Wohnsituation und Standpunkte dar. Nach diesen Schilderungen war den Beteiligten klar, dass es in Zeiten von Home Office, Lock-Downs und Covid unvermeidbar ist, dass man von seinen Nachbarn mehr mitbekommt, als man sich wünscht. Man vereinbarte konkrete Zeiten, die der eine Nachbar für Sportübungen mit seinen Kindern, der andere zum Tätigen von Einkäufen oder auch Spaziergängen nutzt.
Fazit:
Hätte man die Streitigkeiten vor Gericht ausgetragen, wären sie, da auch die Gerichte coronabedingt nur eingeschränkt arbeiten und überlastet sind, heute noch nicht befriedet. Die Nerven lägen bei allen Beteiligten blank, die Situation würde sich zuspitzen. Hinzu kommt, dass das Gericht über den Streit zwar entscheidet, seinem Urteil jedoch nicht oder nur selten die „Brücke“ von festgefahrenen Standpunkten zu den Bedürfnissen schlagen kann. Erlebte Kränkungen, Missverständnisse oder auch Wahrnehmungsverschiebungen fließen bei der Urteilsfindung nur selten ein. Die Mediation bietet die Möglichkeit, eine für alle Parteien befriedigende Lösung zu finden.
Simone Mainda, Rechtsanwältin H&P Rechtsanwälte
Neueste Kommentare