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Für einen großen deutschen Sachversicherer wurden wir beauftragt, den Regress gegen die Verursacherin eines Brandes zu führen. Die Verursacherin des Brandes war Mieterin in dem von unserer Mandantin versicherten Gebäude. Sie erhitzte unbeaufsichtigt Öl auf dem Herd, welches sich in der Folge entzündete.

Unsere Mandantin regulierte den entstandenen Schaden. Hierdurch gingen die Schadenersatzansprüche der Gebäudeeigentümer gegen die Mieterin auf unsere Mandantin gem. § 86 Abs. 1 VVG über.

Beim Regress gegen den Mieter sind zahlreiche Besonderheiten zu beachten. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Mieter gewöhnlich über die Nebenkosten die Kosten der Gebäudeversicherung anteilig trägt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. bspw. BGH, Urteil vom 08.11.2000, Az. IV ZR 298/99) ist der Gebäudeversicherungsvertrag daher dahin ergänzend auszulegen, dass ihm ein Regressverzicht des Versicherers für die Fälle zu entnehmen ist, in denen der Mieter einen Schaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat.

Für einen Regress gegen den Mieter, bedarf es somit eines grob fahrlässigen Verhaltens. Im Falle der einfachen Fahrlässigkeit kann allenfalls ein Regress gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters nach den Grundsätzen der Doppelversicherung (§ 78 VVG) analog oder nach dem Teilungsabkommen, dem zahlreiche Versicherer beigetreten sind, in Betracht kommen. Da die Mieterin in unserem Fall jedoch nicht über eine Haftpflichtversicherung verfügte, braucht hierauf an dieser Stelle nicht weiter eingegangen zu werden.

Das Amtsgericht Pforzheim, welches trotz des Streitwertes von 23.792,23 EUR nach § 23 Nr. 2 a) GVG sachlich zuständig war, wies unsere Klage mit der Begründung ab, das Verhalten der Mieterin sei nicht grob fahrlässig gewesen (Urteil vom 06.07.2020, Az. 6 C 15/20).

Die beklagte Mieterin hatte behauptet, sie habe unmittelbar nach dem Anstellen des Herdes die religiöse Waschung im Bad durchgeführt und sei im Anschluss in eines der Kinderzimmer zum Gebet gegangen, wo sie für maximal 10 Minuten verweilte. Danach habe sie sich im Wohnzimmer aufgehalten, bis der Brand von ihrem Sohn bemerkt wurde.

Nach Auffassung des Amtsgerichts Pforzheim sei das unbeaufsichtigte Erhitzen zwar als objektiv grob fahrlässig zu bewerten. Das kurzzeitige Vergessen des Öls aufgrund des Gebets, ohne dass die Beklagte die Wohnung verlassen habe, stelle jedoch ein Augenblickversagen dar, welches unter den besonderen Umständen des Falles den Vorwurf der subjektiv groben Fahrlässigkeit entfallen lasse.

Wir haben unserer Mandantin empfohlen, gegen dieses Urteil Berufung einzulegen. Das Amtsgericht hat den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt und bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen.

Der Ausdruck „Augenblicksversagen“ beschreibt den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1992, Az. IV ZR 223/91).

Somit liegt bereits kein Augenblickversagen vor. Die Unaufmerksamkeit der Mieterin dauerte gerade nicht nur eine kurze Zeit an. Die Mieterin hat nach ihrer eigenen Einlassung zunächst die religiöse Waschung durchgeführt, danach gebetet und ist im Anschluss ins Wohnzimmer gegangen. Sie hat die Küche verlassen, um religiösen Ritualen nachzugehen und war daher nicht nur kurzfristig abgelenkt. Vielmehr war es für die Mieterin vorhersehbar, dass sie das Öl nicht nur für einen kurzen Moment, sondern für die Dauer des Gebets unbeaufsichtigt lassen wird. Von einer kurzfristigen Unaufmerksamkeit kann mithin keine Rede sein.

Wenn die Mieterin während eines überwachungsbedürftigen Vorgangs, die Küche verlässt, um zu beten, dann provozierte sie damit die Gefahr, das Erhitzen des Öls zu vergessen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 25.10.1995, Az. 13 U 42/95).

Ferner verkennt das Amtsgericht Pforzheim, dass ein Augenblicksversagen allein kein ausreichender Grund ist, den Schuldvorwurf herabzustufen. Vielmehr müssen weitere, in der Person des Handelnden liegende besondere Umstände hinzukommen, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen.

Das erstinstanzliche Gericht stützt seine Entscheidung jedoch lediglich auf ein angebliches Ausgenblickversagen. Selbst wenn man ein solches entgegen unserer Auffassung annehmen möchte, so reicht dies allein nicht aus, um grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Weitere subjektive Umstände, die es im konkreten Einzelfall gerechtfertigt erscheinen ließen, den Schuldvorwurf geringer als grob fahrlässig zu bewerten, wurden von der Mieterin weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

Vorliegend hat die Beklagte nicht vergessen die Herdplatte auszuschalten. Vielmehr hat sie sich in Kenntnis der eingeschalteten Herdplatte und des sich erhitzenden Öls bewusst dafür entschieden, die Kochstelle unbeaufsichtigt zu lassen. Dies stellt nach unserer Auffassung sowohl in objektiver wie in subjektiver Hinsicht ein grob fahrlässiges Verhalten der Mieterin dar.

Das Landgericht Karlsruhe ist in seinem Urteil vom 31.03.2021 (Az. 20 S 60/20) unserer Auffassung gefolgt und hat folglich das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim aufgehoben und die Mieterin zum Ersatz des entstandenen Schadens verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Thomas Litzenburger, Rechtsanwalt H&P Dresden